Nachlese QQ-Impuls: Was genau ist Validierung? Ist es das gleiche wie Prozessfähigkeit oder Messmittelfähigkeit? Und welche Methoden zur Validierung gibt es?
Boris Scheffknecht und Camilla Streuli zeigten uns in diesem QQ-Impuls Methoden zur Validierung und teilten ihre Erfahrungen aus der Praxis rund ums Validieren.
Den ersten Teil präsentierte uns Boris, der in der Medtech-Branche bei SAMAPLAST AG als Mitglied der Geschäftsleitung als Chief Operating Officer (COO) arbeitet:
In der Regel beginnt die Prozessvalidierung damit, dass der Chef möchte, dass etwas validiert wird. Doch wie geht man nun am besten vor?
Am Anfang stehen immer Normen. Diese müssen beim Validieren unbedingt berücksichtigt werden. Also muss zuerst überprüft werden, was in den relevanten Normen steht und welche Kernpunkte zu beachten sind. Es gibt zwei grundlegende regulatorische Vorgaben für die Prozessvalidierung – die von den USA und die von Europa –, die durchaus vergleichbar sind.
Boris zeigte uns, was relevant ist. Hierfür schauten wir uns zuerst die europäischen regulatorischen Vorgaben der EN ISO 13485:2016, Abs 7.5.6, «Validierung der Prozesse zur Produktion und Dienstleistungserbringung an»:
Wie schaut das in den Vereinigten Staaten von Amerika aus?
Bei den FDA-Forderungen 21 CFR Part. 820, Sec. 820.75 «Process validation», werden praktisch die gleichen Punkte verlangt:
Fazit: Die ISO- und FDA-Forderungen sind praktisch gleich.
Bevor wir nun mit der Prozessvalidierung loslegen können, müssen wir zuerst die Begrifflichkeiten klären:
Bei «Verifizieren» ist «(über)prüfen» gemeint, beim «Validieren» hingegen wird sichergestellt, dass ein geeigneter Prozess (Prozessparameter) innerhalb definierter Grenzen (Akzeptanzkriterien) zu einem vorab definierten Ergebnis führt. Hierzu zwei Beispiele aus dem Alltag:
Ziel bzw. das gewünschte Ergebnis ist eine schmackhafte Suppe – die verschiedenen Geschmäcker lassen wir hier mal aussen vor. 😉
Verifizierung: Ich verkoste die fertige Suppe, ob diese schmackhaft ist.
(Prozess-)Validierung: Ich beurteile (validiere) den Prozess des Suppenkochens anhand der Zutatenliste und dem Rezept, ob diese stimmig sind und ich dadurch als Resultat eine schmackhafte Suppe erhalten würde. Nicht valide könne zum Beispiel sein, wenn ich für ein Liter Wasser ein Kilogramm Salz verwenden würde.
Der Nutzen der Prozessvalidierung ist vielfältig, auch wenn man keine rechtlichen Normen einhalten muss:
Wie findest Du nun heraus, ob Du einen Prozess überhaupt validieren kannst und solltest? Hierzu gibt es ein hilfreiches Entscheidungsmodell der Globalisation Harmonisation Task Force (GHTF), das Du in der Grafik rechts siehst:
Schritt 1: Bewertung der Verifizierbarkeit (Kann ich den Prozess prüfen oder messen?) der kritischen Produktmerkmale in Bezug auf die Anwendung.
Schritt 2: Bewertung, ob eine Verifizierung ausreichend ist bzw. inakzeptable Risiken bleiben und der Aufwand dafür kosteneffizient ist.
Schritt 3: Prozess wird verifiziert und kontrolliert, sofern Schritt 1 und 2 mit «ja» beantwortet werden kann.
Schritt 4: Wird Schritt 1 oder 2 mit «nein» beantwortet, muss zwingend validiert werden.
Schritt 5: Eine Produkt- oder Prozessänderung kann eine Möglichkeit zur Prozessstabilisierung oder -verifizierung sein.
Validierungen können nicht seriös als Einzelpersonen durchgeführt werden. Hier für sind Teams nötig, die die folgenden Kriterien erfüllen:
Neben dem Team benötigt es auch einen Validierungsmasterplan (VMP). Der VMP ist das übergeordnete Qualifizierungsdokument, in dem alle Qualifizierungs- und Validierungsaktivitäten beschrieben werden. Kurz: Dort ist alles drin, was in der Norm steht.
Gemäss FDA hängt der Erfolg der Prozessvalidierung von den erarbeitenden Informationen aus der Produkt- und Prozessentwicklung ab. Erkenntnisse daraus sind:
Wer einen Prozess nicht kennt, kann diesen dementsprechend nicht validieren. Das heisst, man muss sich das Wissen selbst aneignen oder die Personen mit dem entsprechenden Know-how ins Validierungsteam holen.
Eine Möglichkeit der Prozessentwicklung ist die «Design of Experiments»-Methode (DoE). DoE ist eine Methode des Qualitätsmanagement-Systems Six Sigma mit dem Ziel, den Aufwand für Versuche zu reduzieren, mit denen die Wechselwirkungen untersuchter Parameter bestimmt werden.
DoE wurde explizit dafür entwickelt, den Einfluss von vielen Faktoren in einem System möglichst schnell und strukturiert zu analysieren. Mit DoE ist es möglich, eine nahezu beliebige Anzahl von Faktoren auf ihre Wirkung für mehrere Zielgrössen zu untersuchen und eignet sich daher ideal für die Prozessentwicklung.
Bei der Prozessvalidierung handelt es sich immer um Prozessreihen wie Du in der Grafik nebenan siehst. Bei den Phasen der Prozessvalidierung ist der Zusammenhang zwischen Qualifizierung und Validierung wichtig:
0. Der Validierungsmasterplan bzw. das Validierungsprojekt für die Prozesskette. Dies wird im Vorfeld definiert und auf dessen Basis wird nach der Validierung der Validierungsbericht erstellt.
1. Qualifizierung von Anlagen, Maschinen etc., die in dem Validierungsprozess überprüft werden.
2. Fähigkeitsnachweis der Prüfmethode (=MSA), damit diese valide ist bzw. funktioniert.
3. Validierung der einzelnen Prozesse in der Prozessreihe.
4. Validierung der Zulassung (normabhängig).
5. Prüfung des nachgelagerten Prozesses, damit dieser mit dem Output der vorgelagerten Prozessreihe ebenfalls funktioniert.
Es ist wichtig, immer die grundlegenden Rahmenbedingungen in Bezug auf die verschiedenen Komponenten, wie z.B. Werkzeuge, Materialien, Messsysteme usw., und deren Schnittstellen (in der Grafik mit dem «s» gekennzeichnet) festzulegen und entsprechend zu dokumentieren. Wenn diese verändert werden, kommt es in der Regel zu einer Re-Validierung, da veränderte Rahmenbedingungen das Validierungsresultat beeinflussen. Die Veränderungen sollten unbedingt dokumentiert werden.
Zu den Rahmenbedingungen gehört auch die Prozessbeschreibung. Sogenannte SOPs sind die Beschreibung der Standardvorgehensweise für die einzelnen Prozesse. Dabei werden die folgenden Fragen beantwortet:
Eine detaillierte Prozessbeschreibung ist wichtig: Alle müssen wissen, um was es geht und die Rahmenbedingungen (bspw. In- und Output) kennen. Und das von Anfang an – bereits bei der Planung.
Provokatives Fazit von Boris: Was ist nicht beschreiben kann, kann ich auch nicht validieren!
Zuerst muss man sich fragen, ob die Validierung einen Einfluss auf das Produkt hat. Falls nicht, muss man erst gar nicht damit beginnen.
In der Grafik siehst Du schematisch dargestellt die Validierungsphasen, die zu durchlaufen sind.
Der Validierungsprozess konnte erfolgreich abgeschlossen werden, alles ist dokumentiert und nun lehnt man sich zurück – die Routine kommt. Doch jetzt lauern die grössten Gefahren:
Nun stellt sich die Gretchenfrage: Ist noch alles valide? Das muss regelmässig überprüft werden. Für Boris ist das die kritischere Phase als die Prozessvalidierung selbst. Deshalb rät er uns, Lieferanten in die Pflicht zu nehmen und mit diesen zu prüfen, ob bspw. eine Wartung einen Einfluss auf den Prozess hat. Am besten verlangt man von den Lieferanten schriftliche Garantien.
Fazit von Boris: Eine schlecht geplante und schlecht konstruierte Anlage oder ein untauglicher Prozess wird durch eine Qualifizierung / Validierung nicht besser… Hier hilft auch keine Prozessvalidierung!
Nun folgte der zweite Teil mit Camilla Streuli, Stv. Leiterin Lebensmittelsicherheit bei der Delica AG mit einem Beispiel aus dem Lebensmittelbereich:
In der Lebensmittelindustrie ist man verpflichtet, ein Lebensmittelsicherheitskonzept zu integrieren. Delica AG ist deshalb IFS 8.0 zertifiziert.
Sie haben ein Qualitätsmanagementsystem, das alle Prozesse abbildet. Teil davon ist ein Hygienekonzept, die Gefahrenanalyse wie auch das Rückverfolgbarkeits- und Rückrufkonzept. Alles zusammen bildet das Lebensmittelsicherheitskonzept der Delica AG, das die Basis für die IFS 8.0 Validierung des HACCP-Plans und die Festlegung von Verifizierungsverfahren ist.
In der Delica AG bestehen sehr viele unterschiedliche Konzepte, die präventiv greifen. Vom Food Fraud (Inverkehrbringen von Lebensmitteln mit dem Ziel, durch vorsätzliche Täuschung einen finanziellen oder wirtschaftlichen Vorteil zu erlangen) über Food Defense (Produktschutz von Lebensmitteln vor geplanter, vorsätzlicher Kontamination oder Verfälschung durch biologische, chemische, physikalische oder radioaktive Substanzen im Rahmen eines Sabotageakts oder eines terroristischen Angriffs) bis hin zur Lagerung/Transport der Lebensmittel.
Unter der Abkürzung HACCP verbirgt sich die englischsprachige Bezeichnung «Hazard Analysis Critical Control Points». Die deutsche Definition von HACCP lautet «Risiko-Analyse Kritischer Kontroll-Punkte». Das Einhalten des HACCP-Konzepts stellt sicher, dass Konsumenten und Mitarbeitende vor Keimen und Krankheitserregern, die beim Arbeiten mit Lebensmitteln entstehen können, geschützt werden – vom Einkauf bis und mit Auslieferung des fertigen Produkts.
Das HACCP-Konzept ist die Basis für die Klassifizierung der weiteren Prozesse in die nachfolgenden Kategorien:
Überwacht wird alles mit dem HACCP/Management Review. Bei mittleren Risiken wird es mit Kontrollpunkten (CP) und bei hohen Risiken mit kritischen Kontrollpunkten (CCP) oder operativen präventiv Programmen (oPrP) überwacht.
Überprüft wird alles mit Präventivprogrammen, internen Audits, Verifikationen und Prüfplänen. Die Validierung wird über alle Prozesse hinweg gemacht.
Das Rückruf- und Rückverfolgbarkeitskonzept ist quasi die «Lebensversicherung», falls doch einmal etwas schief gehen sollte.
Gemäss Camilla hat Delica die Validierung und Verifizierung folgendermassen definiert:
Wenn man die Bilder auf der Folie anschaut: Das möchte niemand in Lebensmittel haben! Dennoch sind das alles reale Gefahren bei der Lebensmittelproduktion:
Um dies präventiv zu verhindern, bestehen viele Prozessabläufe, Hygieneregeln, Arbeitsanweisungen etc. Dennoch kann es mal passieren, dass bspw. eine lose Schraube in den Lebensmittelproduktionsprozess kommt. Die Lösung: ein Metalldetektor.
Der Metalldetektor stellt also sicher, dass keine lebensmittelsicherheitsrelevanten Fremdkörper zum Konsumenten gelangen können.
Auf dem Bild sieht man einen Metalldetektor und nebenan drei Teststäbe in den Farben Grün, Rot und Blau mit jeweils einer Grösse von 2,5 mm.
Nachfolgend ging Camilla darauf ein, wie man so ein Gerät validiert und verifiziert.
Beim Metalldetektor wird nicht nur überprüft, ob Metall vorhanden ist. Es ist ein 4-stufiger Prozess damit verbunden, der validiert wird:
Wenn nun ein Parameter verändert wird, wie z.B. die Geschwindigkeit des Förderbands, dann verändern sich die Rahmenbedingungen. Und dann muss – wie vorher von Boris erklärt – eine Re-Validierung gemacht werden.
Die Verifizierung des Metalldetektors wird bei Delica AG täglich mit den folgenden drei Punkten gemacht:
So haben wir nochmals ein anschauliches Beispiel erhalten, wo der Unterschied von Validieren und Verifizieren ist.
Ganz zum Schluss gab uns Boris noch folgende Tipps:
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